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Interview mit CCP-Absolventin Theresa Sanyatwe

„Ich war schockiert, was ich alles nicht wusste"

Theresa Sanyatwe aus Simbabwe ist eine von 25 frischen Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs „Safeguarding“ am Centre for Child Protection (CCP) in Rom. Nach fünf Monaten intensiven Studiums hat sie ihr Diplom in „Safeguarding for minors“ erhalten. Darin haben die Studenten gelernt, wie sie in ihren Heimatländern ein sicheres Umfeld für Kinder schaffen können. Das Kindermissionswerk unterstützt das Programm, um den Kinderschutz weltweit voranzutreiben.

Wir haben Theresa Sanyatwe wenige Tage nach ihrem Abschluss interviewt.

Was für ein Gefühl war das, das Diplom in Händen zu halten?

Es war aufregend! Ich bin sehr glücklich darüber, was ich in dem Studium alles erreicht habe. Ich kann nur sagen: Ich habe wirklich viel gelernt. Bevor ich nach Rom gekommen bin, habe ich zwei Jahre im Bereich Kinderschutz gearbeitet. Anfangs war ich neugierig darauf, was ich denn Neues lernen würde. Schließlich arbeitete ich schon in dem Bereich. Ich muss zugeben, ich war sehr naiv und gleichzeitig schockiert, was ich alles nicht wusste. 

Zum Beispiel?

Dass es Arten von Missbrauch gibt, die ich kaum kannte. Insbesondere Online-Missbrauch. Ich wusste nicht, dass Online-Missbrauch zu physischem, sexuellem Missbrauch führen kann.

Ist das in Ihrer täglichen Arbeit bisher nicht vorgekommen?

Nein. Denn der Zugang zu elektronischen Geräten ist in meinem Heimatland anders als in Europa. In Simbabwe besitzt nicht jedes Kind ein Handy. 

Wie wurde Ihnen bei dem Kurs beigebracht, damit umzugehen?

Uns wurden Kontrollmechanismen für Eltern an die Hand gegeben, also wie Eltern überprüfen können, was das Kind am Handy macht. Und dass man das Kind aufmerksam beobachtet, um herauszufinden, ob sich sein Verhalten verändert. Es ist aber auch wichtig, dem Kind Vertrauen zu schenken, damit es auch den Eltern gegenüber Vertrauen hat und offen über alles spricht.

Missbrauch ist ein schweres Thema. Waren die Lerninhalte manchmal deprimierend?

Es war schwer, als wir Opfer sexuellen Missbrauchs getroffen und Interviews mit ihnen geführt haben: „Was ist passiert? Wie hast du dich dabei gefühlt?“ Als die Betroffenen angefangen haben, darüber zu sprechen, fingen einige an zu weinen. Der Missbrauch liegt vielleicht 40 Jahre zurück und du erfährst, dass die Person inzwischen verheiratet ist, und trotzdem weint sie. Für uns ging es darum, sich einzufühlen, wie das ist und welche langfristigen Folgen Missbrauch hat. 

Warum wollten Sie diesen Kurs machen?

Ich habe jahrelang unterrichtet. Ich arbeitete in Schulen, wo Kinder auf mich zukamen und mir von Missbrauchsfällen berichtet haben. Wie ich damit umgehen sollte, wusste ich nicht. Ich wusste, dass das schlimm war und ging damit zur Rektorin oder dem Rektor der Schule. Aber diese haben geschwiegen. Die Angelegenheit war damit für sie erledigt. Es tat mir weh zu sehen, dass diese Kinder weiterhin im Unterricht litten, sich nicht konzentrieren konnten. Ich fühlte mich auch schuldig. Einmal war es ein Kind, das immer zu spät zur Schule kam. Normalerweise würde ich das Kind bestrafen, ohne zu verstehen, warum das Kind überhaupt so spät dran ist. Ich fragte: „Warum kommst du zu spät?“ Darauf sagte das Kind, dass es bei seiner Stiefmutter lebt. Bevor es sich auf den Weg zur Schule macht, musste es Wasser holen, kochen und noch weitere Arbeit verrichten. Von da an habe ich das Kind nicht mehr für sein Zuspätkommen bestraft. Ich bin zudem ausgebildete Seelsorgerin und wollte jungen Menschen zu einem besseren Leben verhelfen.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Ich arbeite für die Bischofskonferenz in Simbabwe. Wir koordinieren katholischen Schulen in ganz Simbabwe. Den Bischöfen werde ich vorschlagen, eine Kommission für Safeguarding zu gründen. Eine Kommission, die Weiterbildungen anbietet, aber sich auch mit Missbrauchsfällen beschäftigt. Also etwas ganz Neues aufbauen. Ich möchte ein Team schulen, das aus zwei Anwälten besteht - einem Kirchenrechtler und einem Rechtsanwalt für Zivilrecht, einem Psychologen, einem Arzt, einem Journalisten und einer Vertretung der „Victim friendly Unit“, das ist eine Einheit der simbabwischen Polizei, die die Opfer unterstützt. Dieses Ad-hoc-Team ist dann im Einsatz, wenn Missbrauchsfälle gemeldet werden.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg dabei und bedanken uns für das Interview.

Weitere Infos zum Programm finden Sie auf der Homepage des Centre For Child Protection.