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"Frauen und Mädchen zu unterstützen, ist mein Herzensprojekt"


Hannah Bockarie ist Gründerin des Mädchenschutzprojekts „Commit and Act“ in Bo, der mit 175.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt in Sierra Leone. Zusammen mit ihrem Team nimmt die Sozialarbeiterin und Psychologische Beraterin Mädchen in einem Schutzhaus auf, die sexuelle Gewalt erfahren haben. Dort können sie ihr Trauma verarbeiten.

Hannah, warum ist das Problem des sexuellen Missbrauchs von Mädchen in Sierra Leone so ausgeprägt?

In Sierra Leone gab es nicht nur während des Bürgerkriegs, sondern auch danach sehr viel Gewalt. Der Krieg hat so viele traumatische Ereignisse hervorgebracht, dass viele Menschen bis heute damit zu kämpfen haben. Und viele haben nach wie vor die Gewohnheit, Frauen und Mädchen gegenüber gewalttätig zu sein.

Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, sich für Mädchen einzusetzen, die sexuelle Gewalt erfahren haben?

2010 habe ich bei einem psychologischen Training die sogenannte Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) kennen gelernt. Ich selbst habe durch die Geschehnisse während des Bürgerkriegs ein Trauma erlitten und gemerkt, dass ACT ein sehr kraftvolles Instrument ist, mit meinem Trauma umzugehen. Und ich sah es auch als ein Instrument, mit dem ich anderen Traumatisierten helfen kann.

Während und nach der Ebola-Epidemie gab es dann einen großen Anstieg der Missbrauchsfälle. Die Mädchen konnten nicht zur Schule gehen und wurden vielfach missbraucht, da die Täter im direkten Umfeld ihres Zuhauses waren. Verwandte, Nachbarn, Freunde. Als ich diesen enormen Anstieg während der Ebola-Epidemie sah, dachte ich mir: Wir müssen diesen Mädchen helfen, wir müssen eine Organisation gründen.

 

Wie genau helfen Sie den Mädchen?

Mit Unterstützung des Kindermissionswerks helfen wir den Mädchen, indem wir ihnen einen temporären Schutzraum bieten. Nachdem sie bei der Polizei ihre Aussage gemacht haben, kommen sie in unser Mädchen-Schutzhaus. Hier bekommen sie medizinische Versorgung, drei Mahlzeiten am Tag, Kleidung und wir bieten ihnen vor allem psychologische Beratung. Aufgrund ihres Traumas brauchen sie Hilfe. Wir versuchen das mit ihnen zu verarbeiten.

Danach unterstützen wir auch die Familien, damit sie sich gut um ihre Kinder kümmern können. Wir stärken darüber hinaus die Gemeinschaft, aus der die Mädchen kommen. Wenn wir sie dorthin zurückbringen, feiern wir eine kleine Zeremonie zur Wiedervereinigung der Familie, in der wir das Mädchen an die Gemeinschaft und die Familie übergeben. Wir versuchen sie dabei zu bestärken, die Mädchen zu beschützen. Wir bieten auch eine Nachfolge-Betreuung, und schauen, wie es den Mädchen geht, wie die Gemeinschaft sie aufgenommen hat und sich um sie kümmert. Und wir unterstützen mit Hilfe des Kindermissionswerks auch die Schulbildung der Mädchen.

Mit welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen haben Sie zu kämpfen?

Die Arbeit mit dem Thema ist eine große Herausforderungen in dieser Region, weil Commit and Act im Bezirk Bo die einzige Organisation ist, die temporären Schutz für missbrauchte Mädchen anbietet. Wir haben daher extrem viele Kinder, die zu uns kommen. Und auch in den anderen Bereichen der Region bräuchten die Mädchen unsere Hilfe.


Trotz dieser großen Herausforderungen – was gefällt Ihnen am besten an Ihrer Arbeit?

Ich liebe meinen Beruf so sehr, weil es so bestärkend ist, ein Mädchen darin zu unterstützen, ihren Traum zu verfolgen und die Gemeinschaft zu unterstützen, dass sie die Mädchen beschützt. Ich bin so glücklich, das tun zu können. Ich sehe ein Mädchen, das völlig traumatisiert zu uns kommt. Und es geht lachend zurück. Ich sehe ein Mädchen, das verletzt herkommt, ein Mädchen, das weinend herkommt, ein Mädchen, das voller Schmerz hierher kommt. Und nachdem wir mit diesem Mädchen ein paar Wochen oder Monate gearbeitet haben, geht es glücklich zurück zu der Gemeinschaft. Mit der Gewissheit, dass hier jemand ist, der ihm zuhört, der es unterstützt, ihm hilft seinen Traum zu verfolgen. Ich liebe meine Arbeit so sehr. Frauen und Mädchen zu unterstützen, ist mein Herzensprojekt.


Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Mädchen in Sierra Leone?

Ich wünsche mir ein Sierra Leone, das frei ist von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Ich wünsche mir, dass ein Mädchen zur Schule gehen kann, ohne missbraucht zu werden. Dass ein Mädchen in die Nachbarschaft gehen kann, ohne missbraucht zu werden. Und dass sich Gerechtigkeit für jedes Mädchen erfüllt, das missbraucht wurde. Und ich wünsche mir qualitativ hochwertige Bildung und gute medizinische Versorgung für jedes Kind. Denn die Kinder sind unsere Zukunft.

Hilfsprojekt

Kindesschutz in Sierra Leone

Celina kümmert sich liebevoll um den zweijährigen Patrick. Er ist ihr Sohn. Und gleichzeitig die stete Erinnerung an ihr schweres Trauma. Mit 15 Jahren wurde Celina vergewaltigt und wurde schwanger. Zum Glück brachte die Polizei sie damals in das Mädchen-Schutzhaus von „Commit and Act“. Denn dort hat Celina die Unterstützung bekommen, die sie brauchte.

Zum Hilfsprojekt Kindesschutz : Kindesschutz in Sierra Leone

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